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Erschließungskosten in Windeck: Ein ungerechtes System korrigieren

[*] Am 04.12.2025 wurde eine Frage von erheblicher finanzieller Bedeutung für viele Windecker Bürgerinnen und Bürger beraten: die rechtliche Bewertung der Gerhart-Hauptmann-Straße, der Ernst-Moritz-Arndt-Straße und der Albert-Schweitzer-Straße. Es geht um nichts weniger als die Frage, ob diese Straßen erschließungsbeitragsfrei sind – oder ob die Anlieger mit bis zu 90 Prozent des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes belastet werden sollen.
Und das betrifft auch viele andere Straßen in Windeck, wo die Anwohner 90 Prozent der Erschließungskosten bezahlen sollen.

Ergebnis der Sitzung:

Die Gemeinde Windeck wurde von den Gemeinderäten beauftragt, für die gesamte Gemeinde eine Aufstellung gleichartig gelagerter Fälle zu erarbeiten, damit der Gemeinderat den Umfang zukünftiger „Sanierungsfälle“ beurteilen kann.

Verlauf der Sitzung:

04.12.2025 Ausschuss für Zukunft und Entwicklung (ehemals Bauausschuss) TOP 6 - Rechtliche Prüfung des beitragsrechtlichen Status der Gerhart-Hauptmann-Straße, der Ernst-Moritz-Arndt-Straße sowie der Albert-Schweitzer-Straße - Beschluss des Rates vom 20.05.2025

Rechtliche Prüfung des beitragsrechtlichen Status mehrerer Straßen in Windeck

1. Einleitung

Gegenstand der Sitzung war die rechtliche Bewertung des beitragsrechtlichen Status der Gerhart-Hauptmann-Straße, der Ernst-Moritz-Arndt-Straße und der Albert-Schweitzer-Straße, stellvertretend für zahlreiche weitere Straßen in Windeck.
Herr Rainer Schmitz, Fachanwalt für Verwaltungsrecht der Kanzlei Lenz und Johlen aus Köln trägt seine Einschätzung der Sachlage vor, die er im Auftrag der Gemeinde erarbeitet hat.

2. Vortrag von Rechtsanwalt Schmitz

2.1 Grundlegende rechtliche Unterscheidungen

  • Thema: Vorhandene Straßen versus erstmalige Herstellung.
  • Anlieger empören sich, dass sie für bestehende Straßen zahlen sollen.
  • Straßenausbaubeiträge: von Anliegern zu tragen, ggf. landesgefördert.
  • Erschließungsbeiträge: entstehen bei erstmaliger Herstellung einer Straße.

2.2 Einschätzung zu den drei Straßen

  • Die Verwaltung will diese Straßen nach Erschließungsbeitragsrecht abrechnen.
  • Obwohl seit vielen Jahrzehnten genutzt, gelten sie rechtlich nicht als fertiggestellt.
  • Für die Fertigstellung nach Erschließungsbeitragsrecht notwendig: Passierbarkeit, Bordsteine, Straßenrinnen, Straßenbeleuchtung
  • Diese Merkmale seien nicht erfüllt, obwohl die Straßen technisch nutzbar sind.

2.3 Konsequenzen

  • Anlieger müssten 90 % des Ausbauaufwandes tragen.

2.4 Argumente der Anwohner

  • Bürger argumentieren, die Straßen seien alt und daher beitragsfrei.
  • RA Schmitz widerspricht:
  • Anlieger müssten seiner Meinung nach nachweisen, dass die Straßen am 29.06.1961 (Stichtag vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes): innerörtlich, befestigt, entwässert und beleuchtet waren.

2.5 Bewertung historischer Daten

  • Historische Luftbilder unklar.
  • Bebauung wohl vorhanden, aber Entwässerung nicht ordnungsgemäß (wild abfließendes Wasser).
  • Beleuchtung 1961 unzureichend.
  • Deshalb Voraussetzungen nicht erfüllt.

2.6 Förderung durch das Land NRW

  • Gemeinde könnte Erschließungsaufwand über das Straßenverwaltungsrecht abrechnen.
  • Förderung über NRW-Bank möglich. Die Förderanträge gehen dann an NRW Bank und die Kommunen müssen eine Begründung zur Förderung abgeben. Das machen auch vielen Kommunen.
  • Schmitz rät wegen Prozessrisiken davon ab und empfiehlt, Anlieger zahlen zu lassen.

3.1 Vorsitzender

  • Danksagung an den Anwalt; Bürger erhalten Rederecht.

4. Wortbeiträge der Bürger

4.1 Grundsätzliche Kritik

  • Unterschiedliche Auffassungen darüber, ob es sich um Ausbau oder Erschließung handelt.
  • Anwohner sehen Straßen als seit Jahrzehnten bestehend.
  • „Juristische Winkelzüge“ werden kritisiert.

4.2 Historische Hinweise

  • Gerhart-Hauptmann-Straße: 1920 vier Werkswohnungsblöcke gebaut, weitere fünf Häuser bereits vor dem Krieg. Straße war am 29.06.1961 ausgebaut. Unterlagen im Krieg zerstört.

4.3 Weitere Bürgerargumente

  • Zweifel an Beweislastverteilung („nicht die Anwohner müssen beweisen“).
  • Oberflächenwasser akzeptiert man auf eigenen Grundstücken.
  • In Ernst-Moritz-Arndt-Straße haben Anwohner selbst Bordsteine gesetzt.
  • Beispielkosten: 50.000 € pro Anwohner.
  • Frage nach Ursprung der Kostenannahme von 1,6 Mio. €.
  • Kritik an mangelnder Transparenz und Planbarkeit.
  • Hinweis: 30–40 % der Gemeindestraßen seien betroffen.

5. Weitere Politik- und Fraktionsbeiträge

5.1 CDU

  • Antrag: Übersicht, welche Straßen betroffen sind.

6. Beitrag von Peter Inden

6.1 Grundsatzbewertung

  • Es geht um erhebliche Belastungen: bis zu 90 % Anliegerkosten.
  • Viele weitere Straßen in Windeck betroffen.

6.2 Offene Fragen (Piratenpartei vom 05.12.2024)

  • Wie viele Straßen sind betroffen?
  • Welche Straßen sind es?
  • Warum sollen 90 % Anliegerkosten anfallen?

6.3 Politische Bewertung

  • SPD fordert Übersicht – sinnvoll, aber unklar, warum Verwaltung „Ersterschließung“ behauptet.
  • CDU fordert Übersicht über geplante Maßnahmen der nächsten zehn Jahre.
  • Kritik: SPD und CDU haben der Bürgermeisterin und der Verwaltung ermöglicht, das dieses hoch brisante Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Das war ein Fehler.

6.4 Kritik an der juristischen Stellungnahme

  • Kanzlei arbeite mit „Sachverhaltsannahmen“ also Hypothesen, die mangels Dokumentation nicht belegbar sind.
  • Bürger müssten dann selbst klagen. Kostenlast bei den Bürgern.
  • Bürger zahlen dreifach (Steuer, Anwalt, Erschließung). Denn: Die Gemeinde zahlt ihre Kanzlei mit Steuergeldern. Die betroffenen Anlieger müssten zusätzlich eigene Anwälte bezahlen. Und am Ende sollen die Bürger auch noch 90 Prozent der Erschließungskosten tragen.

6.5 Beweislast

  • Historische Beweise fehlen nicht bei den Bürgern, sondern bei der Gemeinde: Karten im Landesportal fehlen. Archivunterlagen Rosbach 1945 zerstört.
  • Beweislast liegt bei der Gemeinde.

6.6 Einstufung als Haupterschließungsstraßen

  • Straßen seien nicht reine Wohnstraßen.
  • Haupterschließungsstraßen haben geringere Anliegeranteile.

6.7 Handlungsspielräume der Gemeinde

  • Beispiele früherer Erschließungsbeitragssatzungen.
  • Gemeinde hat politischen und rechtlichen Spielraum.
  • Die Gemeinde verfügt über Handlungsspielraum.
  • Kein Luxusausbau.
  • Und dieser sollte im Sinne der Bürger genutzt werden.

6.8 Forderungen

  • Wiederholung der drei Fragen:
  • Wie viele Straßen betroffen?
  • Welche genau?
  • Welche Begründungen für die Einstufung?

7. Weitere Fraktionsbeiträge

7.1 SPD

  • Dank an RA Schmitz.
  • Sachverhaltsannahmen können zu anderen Ergebnissen führen.
  • Unterschiedliche juristische Auffassungen zur Beweislast.
  • 770 Straßen [Auskunft Gemeinde, Info von Inden] Differenzierte Betrachtung notwendig.
  • Prozessrisiko kann nicht von juristischen Laien – also von Ratsmitgliedern – eingeschätzt werden. Gemeinderäte sollten sich vor die Bürger stellen. Müssen es auf einen Prozess ankommen lassen.

7.2 Beigeordneter

  • Bisher sei nichts passiert – lediglich Haushaltsplanung.
  • Haushaltsmittel müssen nicht abgerufen werden.
  • Entscheidung liegt beim Gemeinderat.

8. Weitere Stellungnahmen

8.1 Rechtsanwalt Schmitz

  • Seine „Annahmen“ beruhen auf Verwaltungsunterlagen, im Verfahren werde weiter ergänzt.
  • Bei Ernstfall: Anwohner liefern Material nach.
  • Auftrag: objektive Bewertung nach Rechtsprechung.
  • Maßstäbe der Anlieger seien unzureichend.

Hinweis auf rechtliche Möglichkeiten zur Verhinderung von Beiträgen

  • Er hatte keinen Prüfauftrag von der Gemeinde, die Erschließungsbeiträge der Anwohner zu verhindern. Hier ein paar Möglichkeiten dazu:
  • § 12a Kommunal-Abgaben-Gesetz KAG NRW: Erhebungsausschlussfrist von 20 Jahren nach Vorteilslage.
  • Weitere rechtliche Quellen zitiert (Weblinks siehe weiter unten).
  • Vorteilslage entsteht, sobald Straße Merkmale der Erschließungsbeitragssatzung erfüllt. Basis ist alte Erschließungsbeitragssatzungen vor 1961.
  • Vorteilslage: Regenwasser darf in Rinnen gesammelt und in Kanal geleitet werden.
  • Weist auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hin. 20 Jahre nach der Entstehung der Vorteilsnahme [ Bau der Straße ] darf die Gemeinde keinen Erschließungsbeitrag mehr erheben. Siehe §12a KAG NRW.
  • [ Siehe auch „KAG NRW §12a Zeitliche Grenze für die Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich“ Zitat: „Abgaben zum Vorteilsausgleich dürfen ohne Rücksicht auf Entstehung der Abgabenschuld mit Ablauf des 20. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, nicht mehr festgesetzt werden.“ ] https://lexmea.de/de/gesetz/kag-nrw/12a-zeitliche und https://www.gs-recht.de/de/ausschlussfristen-fuer-erschliessungsbeitraege-in-nordrhein-westfalen-update
  • [ Beitragserhebungsausschlussfrist nach dem Eintritt der Vorteilslage bezogen auf die zeitlich erste Windecker Erschließungsbeitragssatzung beim Bau der Straße. ] Siehe https://www.erschliessungsbeitragsrecht.de/aktuell/Beitragserhebungsausschlussfrist-nach-dem-Eintritt-der-Vorteilslage

8.2 SPD-Fragen

  • Ist Ableitung von Regenwasser auf Privatgrundstücke zulässig?
  • Weitere Aspekte müssten geprüft werden.

8.3 Beigeordneter

  • Handlungsbedarf durch Erneuerung von Trinkwasserleitungen und Glasfaserausbau.
  • Straßen sollen langfristig fertiggestellt werden.
  • Versorger könnte Straßen auch nur wieder verschließen.

9. Weitere Beiträge von Bürgern

  • Zweifel an Effizienz der Verwaltung.
  • Verjährung der Vorteilslage.
  • Satellitenbilder angefordert.
  • Anfrage zur Vorteilslage unbeantwortet.

10. Weitere Beiträge von Peter Inden

  • Bitte um Beifügung alter Erschließungsbeitragssatzungen (Rosbach / Dattenfeld vor 1961) in das Protokoll dieser Sitzung.
  • Hinweis: 15 Straßen im Haushalt genannt.
  • 770 Straßen insgesamt; 30–40 % (≈270 Straßen) potenziell beitragspflichtig.
  • Kritik: Vorgehen sei wohl willkürlich.
  • Wiederholung der drei entscheidenden Fragen.

11. Stellungnahme Sozial/Plus

  • Unterstützung der Forderung nach einer vollständigen Aufstellung.

12. Beschluss

  • Die Verwaltung wird beauftragt, für die gesamte Gemeinde eine Aufstellung gleichartig gelagerter Fälle zu erarbeiten, damit der Rat den Umfang zukünftiger Sanierungsfälle beurteilen kann.

[*] Ein Meinungsbeitrag (angereichert durch ein Gedankenprotokoll) von Peter Inden (Gemeinderat in Windeck) zum Ausschuss für Zukunft und Entwicklung (ehemals Bauausschuss) am 04.12.2025 in Windeck.

#Straßenbau #intransparent #teuer #Haushalt #Windeck #Anliegerstraßen #Piratenpartei #Straßenausbaubeiträge #Landesförderung #Erschließungsbeiträge

Bildquelle:
Bund der Steuerzahler

Quellen:
Ausschuss für Zukunft und Entwicklung - 04.12.2025
Tagesordung inkl. drei Bewertungen im Auftrag der Gemeinde Windeck von Herr Rainer Schmitz, Fachanwalt für Verwaltungsrecht der Kanzlei Lenz und Johlen aus Köln
https://sessionnet.owl-it.de/gemeinde-windeck/bi/si0057.asp?__ksinr=3027
https://sessionnet.owl-it.de/gemeinde-windeck/bi/getfile.asp?id=74908&type=do
https://drive.google.com/file/d/1OeDEmpaWEkhMEFBFCSJvlTIoem9pEfK8/view?usp=sharing
08.12.2025 Stadtanzeiger - Straßen in Rosbach doch nicht beitragsfrei - Die Verwaltung soll nun eine Geamtübersicht für die ganze Gemeinde erstellen
https://lexmea.de/de/gesetz/kag-nrw/12a-zeitliche und https://www.gs-recht.de/de/ausschlussfristen-fuer-erschliessungsbeitraege-in-nordrhein-westfalen-update
https://www.erschliessungsbeitragsrecht.de/aktuell/Beitragserhebungsausschlussfrist-nach-dem-Eintritt-der-Vorteilslage
Die nur im Publikum anwesende CDU-Fraktionsvorsitzende schreibt im Nachhinein, also ohne sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen; Zitat: „Aus Sicht der CDU/FDP-Fraktion - und genau deshalb sieht der Gesetzgeber diese Regelung vor - darf es nicht dazu kommen, dass die Allgemeinheit die Wertsteigerung privaten Eigentums finanziert“. Die CDU reduziert das bedauerlicherweise auf einen „Dissens“ mit der SPD. Sehr schade. Leider wurde das so nicht von der CDU während der Sitzung kommuniziert. Siehe Mitteilungsblatt Windeck – 12. Dezember 2025, Seite 18: Aus der Arbeit der Ratspartei CDU: https://www.ortszeitungen.de/RM_eNewsPaper/Win/Win_50_2025.pdf Und die SPD meint: „Als SPD-Fraktion akzeptieren wir die Einschätzung der Anwaltskanzlei: Die drei Straßen gelten nach deren Einschätzung als Erstausbau …“ https://windeck24.info/cdu-windeck-bei-erschliessung-geht-es-um-verantwortung.html#comment-69409